Leben in der Unterstadt im späten Mittelalter

„Alle häußliche und Weiber Arbeit“

Die Unterstadt in direkter Nähe zur Stadtmauer ist im Mittelalter das typische Wohnviertel der Handwerker, Tagelöhner und der Neuankömmlinge in Herrenberg gewesen. Viele Menschen lebten auf begrenztem Platz. Außerhalb der Stadt befanden sich große Seen. Der direkte Wassezugang in der Unterstadt war für die verschiedenen Gewerke von großer Bedeutung. Vor allem Gerber, Küfer, Schmiede und auch die Bader der beiden Badstuben waren auf das Wasser angewiesen.

Bis ins 16. Jahrhundert konnten Frauen als Handwerkerinnen auch selbstständig tätig sein, als Bäckerin, Wirtin, Baderin, Krämerin oder im Textilgewerbe. In einem Handwerksbetrieb mussten alle Familienangehörigen mithelfen, damit die Familie überleben konnte. Es gab keine Trennung von Arbeitsplatz und Wohnort. Starb der Mann, dann übernahm in vielen Fällen die Frau den Betrieb, zumindest so lange, bis der älteste Sohn volljährig wurde. Auch ein großer Bereich der medizinischen Versorgung wurde durch Frauen abgedeckt, die als Hebammen, Heilkundige, selten auch als Ärztinnen tätig waren.

Verschlechterung der Lebensbedingungen

Im 16. Jahrhundert wurden die Lebensbedingungen der Menschen allgemein schwieriger, es gab schlechte Ernten, das Klima wurde kälter (sog. Kleine Eiszeit). Die Reformation bewirkte die Rückbesinnung auf die inneren Werte. Das Leben verlagerte sich zunehmend aus dem öffentlichen Raum ins Haus. Gesthäuser wurden geschlossen, der Betrieb der Badstuben wurde stark eingeschränkt. Unter den veränderten Bedingungen litten besonders die Frauen, denn ihr Handlungsspielraum in der Öffentlichkeit wurde dadurch enger.

Beitrag von Illja Widmann für die Broschüre „FrauenWege“ (Herrenberg 2008), Station 10: Hirschgasse/Badgasse.