Ein Feuerwerkwerk der Kreativität sichtbar gemacht
Fast auf den Tag genau drei Monate nach ihrer Eröffnung zog die bahnbrechende Ausstellung „Designerinnen der Stuttgarter Gardinenfabrik“ im Stadtarchiv Herrenberg ein letztes Mal die Blicke auf sich. Das Besondere an dieser Präsentation: Teilweise unbekannte Designerinnen wurden einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt und die von ihnen entworfenen Stoffe praktisch hautnah gezeigt. Normalerweise lagern viele Stoffe in Archiven, wo sie schwer zugänglich sind.
Am 3. Juni 2024 hatte das Projektteam aus Frauengeschichtswerkstatt (FGW) und Stadtarchiv zur Finissage eingeladen.
Die etwa 50 Gäste, darunter wichtige Leihgeberinnen und Leihgeber, erlebten eine spannende Rückschau auf die Entstehung und Resonanz des Projekts.
Das Programm begann mit einer ausführlichen Fotodokumentation im Vortragsraum. Sie zeichnete den Weg der Ausstellung nach – von der sorgfältigen Recherche über die feierliche Eröffnung bis hin zu Reaktionen aus Medien und Publikum. Sie bot einen Blick hinter die Kulissen und machte die vielfältigen für eine Ausstellung erforderlichen Tätigkeiten sowie den zeitlichen Aufwand sichtbar.
Rückblick der Austellungsmacherinnen
In ihrer offiziellen Begrüßung freute sich Archivleiterin Dr. Stefanie Albus-Kötz über das große Interesse: „Wir hätten die Ausstellung gut und gerne noch weiterlaufen lassen können. Es waren über 400 Besucherinnen und Besucher hier – ein Spitzenwert für das Stadtarchiv!“
Im darauf folgenden von Antje Matthäus (FGW) moderierten Gespräch zogen einige Mitglieder des Projektteams Bilanz und teilten ihre persönlichen Geschichten.
Illja Widmann, FGW-Mitglied und Leiterin des Stadtmuseums Sindelfingen, erläuterte die Herausforderungen bei der Konzeption und Umsetzung einer Ausstellung: „Das Wichtigste bei der Realisierung einer solchen Ausstellung ist Flexibilität. Es passiert immer Unvorhergesehenes. Man muss also bis zum Schluss bereit sein, Dinge auch wieder zu verwerfen und nochmal anders zu denken.“
Die Historikerin Dr. Claudia Nowak-Walz (FGW) fasste die neu gewonnenen Erkenntnisse zur Stuttgarter Gardinenfabrik zusammen: „Es waren viel mehr Frauen für die Stuttgarter Gardinenfabrik als Designerinnen tätig, als wir ursprünglich angenommen haben. Denn in der vorhandenen Forschungsliteratur werden nur Frauen genannt, deren Objekte in Sammlungen enthalten und namentlich gekennzeichnet sind.“
Biografische Forschung und Begegnung mit Zeitzeuginnen
Julietta Schulze (Stadtarchiv) berichtete von ihrer Begegnung mit der Designerin Tina Hahn, die sie im Rahmen der Recherchen in Hamburg besucht hatte. Sie habe nur wenig Persönliches von Tina Hahn erfahren: „Zeitzeuginnen können regulieren, was an die Öffentlichkeit soll und was nicht. So hat Tina Hahn kaum über sich, aber viel über andere Designerinnen gesprochen, die nicht mehr leben, vor allem über Margret Hildebrand.“
Elke Klump-Röhm (FGW) ist lokal gut vernetzt und hatte Zeitzeuginnen interviewt: „Ich kann die Leute wunderbar ausfragen. Viele Leute erzählen auch gern, wie toll es früher bei der Stuttgarter Gardinenfabrik war und was sie da erlebt haben. Es war für mich einfach schön zu hören, wie jemand in seiner Arbeit aufgeht.“
Sonja Klaus Condo (FGW) konnte ihre Erfahrungen aus der Familienforschung in das Projekt einbringen. Sie machte an zwei Beispielen deutlich, wie herausfordernd die biografische Recherche mitunter ist: „Eine Person muss mindestens zehn Jahre tot sein, bevor man von öffentlichen Stellen Informationen über sie bekommt. Deshalb war unsere Forschung für das Projekt oft Detektivarbeit.“
Persönliches Fazit der Beteiligten
Auf die Frage „Was ist das Wichtigste, das ihr persönlich aus diesem Projekt mitnehmt?“ antwortete Illja Widmann:
„Ich fand es klasse, wie wir als Gruppe zusammengearbeitet haben. Wir mussten nicht jedes Detail absprechen. Die Frauen haben einfach eigenständig in Kleingruppen gearbeitet und die Ergebnisse dann zusammengeführt. Alle sind gleichberechtigt. Es war wieder mal sehr spannend zu erleben, dass das in unserer Gruppe so gut funktioniert. Und bei der Vernissage ist mir wieder einmal bewusst geworden, wie wichtig es ist, die Arbeit von Frauen sichtbar zu machen und zu würdigen. Diese Rückmeldung haben wir auch von den Familien der Designerinnen bekommen.“
Antje Matthäus ergänzte: „Das macht unsere Arbeit so erfüllend, zu erleben, dass man so viel Freude machen kann.“
Für Elke Klump-Röhm war es die Entdeckung, dass eine ihrer Großtanten, Margot Trierweiler, als Designerin für die Stuttgarter Gardinenfabrik tätig gewesen war. Sonja Klaus Condo schaut ihre Stoffe zu Hause „jetzt ganz anders an, selbst mein Geschirrhandtuch. Mit viel mehr Hintergrundwissen. Man lernt sehr viel durch solch ein Projekt.“
Ausblick: Aufbau eines Stoffbestands, virtueller Rundgang und Publikation
Nach dem Verbleib der Ausstellungsobjekte gefragt, antwortete Stefanie Albus-Kötz, dass das Stadtarchiv mit Blick auf spätere Ausstellungsmöglichkeiten, z. B. im Fruchtkasten, gerade einen kleinen Bestand aufbaut: „Wer noch Stoffe zu Hause hat und sie loswerden will, kann sich gerne an das Archiv wenden und sie hier hinterlegen, als Leihgabe oder auch als Schenkung.“
Antje Matthäus kündigte an, dass die Frauengeschichtswerkstatt plant, „eine virtuelle Form der Ausstellung“ für ihre Internetseite zu erstellen. „Wahnsinn, was Sie alles so machen“, war eine spontane Reaktion aus dem Publikum.
Julietta Schulze wünscht sich, dass die Ergebnisse des Projekts in Form einer Veröffentlichung noch mehr Menschen zugänglich gemacht werden. Sie sieht die Ausstellung als Anstoß: „Es gibt bislang nur relativ wenig Forschung zur Stuttgarter Gardinenfabrik. Die Objekte aus den Magazinen zu holen und sich damit zu beschäftigen, ist ein Anstoß, noch mehr herauszufinden.“
Nachhaltiges Interesse an den Designerinnen der Stuttgarter Gardinenfabrik geweckt
Die Veranstaltung endete mit gegenseitigen Dankesworten und kleinen Aufmerksamkeiten: Schokolade für die Frauen des Stadtarchivs und Rosen für die Frauengeschichtswerkstatt. Mit einem Glas Sekt oder Wasser stießen die Projektmitglieder und die Gäste an und tauschten sich bei Häppchen miteinander aus.
Insgesamt zeigte die Finissage, dass die Ausstellung nicht nur historische Erkenntnisse brachte, sondern auch das Interesse an der Geschichte der Stuttgarter Gardinenfabrik und ihrer Designerinnen nachhaltig weckte.