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Designerinnen der Stuttgarter Gardinenfabrik

Eröffnung der Ausstellung am 2. März 2024 stößt auf reges Interesse

Foto der Designerinnen Serena Kiefer und Elisabeth Fromm-Wiedmer beim Gang durch die Ausstellung. Im Hintergrund mehrere Entwürfe von Margret Hikdebrand.
Die Designerinnen Serena Kiefer und Elisabeth Fromm-Wiedmer beim Gang durch die Ausstellung. Im Hintergrund mehrere Entwürfe von Margret Hildebrand.

Der Veranstaltungsraum des Herrenberger Stadtarchivs ist bis auf den letzten Platz besetzt. Im angrenzenden Raum und im Eingangsbereich sitzen oder stehen weitere Personen. Sie werfen erste interessierte Blicke auf die Stoffe und Vitrinen und warten gespannt auf den Beginn der Veranstaltung.

Grußworte der Archivleiterin und der Gleichstellungsbeauftragten

Zuerst spricht die Leiterin des Stadtarchivs Dr. Stefanie Albus-Kötz. Sie heißt die Besucherinnen und Besucher herzlich willkommen und erläutert, was es mit dem „Tag der Archive“, dem Anlass der Ausstellungseröffnung, auf sich hat. Außerdem dankt sie den Leihgeberinnen und Leihgebern sowie allen anderen Personen, die zum Gelingen der Ausstellung beigetragen haben.

Die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Herrenberg und Schirmherrin der Veranstaltungsreihe „Brot & Rosen“, Birgit Hamm, begrüßt das Publikum sowohl im Namen des Gleichstellungsbüros als auch im Namen des Herrenberger Oberbürgermeisters Nico Reith. Sie gibt Einblicke in die Entstehung der Ausstellung „Designerinnen der Stuttgarter Gardinenfabrik“, lobt das Ergebnis und dankt der Frauengeschichtswerkstatt für die Bereicherung der Herrenberger Geschichtsforschung.

Impulsvortrag und Erzählcafé: Bedingungen erfolgreicher kreativer Arbeit von Frauen

In ihrem das Erzählcafé einleitenden Vortrag widmet sich Dr. Claudia Nowak-Walz von der Frauengeschichtswerkstatt der Frage, unter welchen Bedingungen Frauen erfolgreich kreativ arbeiten können. Die Basis für die Beantwortung der Frage sind die Biografien der Designerinnen Margret Hildebrand, Antoinette de Boer, Gisela Thiele, Hannelore Herrmann, Hannelore Österlen, Heidi Bernstiel, Elisabeth Wiedmer, Verena Kiefer und Tina Hahn. Leben und Werk dieser neun Frauen und ihr Beitrag zum künstlerischen und wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens sind der wesentliche Inhalt der Ausstellung.

Foto der ehemaligen Designerinnen Elisabeth Wiedmer und Verena Kiefer sowie Caroline Reinhardt, Tochter der ehemaligen Designerin Gisela Thiele, im Gespräch mit Antje Matthäus von der Frauengeschichtswerkstatt Herrenberg.
Elisabeth Fromm-Wiedmer, Serena Kiefer und Caroline Reinhardt (von links) im Gespräch mit Antje Matthäus. Im Hintergrund mehrere Entwürfe von Antoinette de Boer.

Im anschließenden Erzählcafé vertiefen und ergänzen die Designerinnen Elisabeth Fromm-Wiedmer und Serena Kiefer sowie die Tochter der Designerin Gisela Thiele, Caroline Reinhardt, einige der im Vortrag angerissenen Themen. Antje Matthäus von der Frauengeschichtswerkstatt moderiert das Gespräch und stellt unter anderem folgende Fragen:

  • Wie kommt es dazu, dass eine Schweizerin für die Stuttgarter Gardinenfabrik in Herrenberg arbeitet?
  • Wie sah der Arbeitsalltag einer Textildesignerin in den 1950er Jahren und in den 1980er/1990er Jahren aus?
  • War Textildesignerin Ihr Traumberuf und würden Sie diesen Beruf mit dem Wissen von heute wieder wählen?

„Wer einen Vertrag der Stuttgarter Gardinenfabrik erhielt, hatte es geschafft“

Foto der Designerinnen Elisabeth Fromm- Wiedmer und Serena Kiefer, aufgenommen beim Erzählcafé im Rahmen der Eröffnung der Ausstellung "Designerinnen der Stuttgarter Gardinenfabrik" im Stadtarchiv Herrenberg am 2. März 2024.
Elisabeth Fromm Wiedmer und Serena Kiefer sind sich einig: „Wer einen Vertrag der Stuttgarter Gardinenfabrik erhielt, hatte es geschafft.“

Die Stuttgarter Gardinenfabrik stand in engem Kontakt mit verschiedenen Hochschulen. Als Professorin an der Hochschule für Bildende Künste bildete Margret Hildebrand einige der späteren Designerinnen der Stuttgarter Gardinenfabrik aus. Auch die Kunstgewerbeschule Basel gehörte zu den Hochschulen, die Antoinette de Boer und Wilhelm Goltermann auf der Suche nach talentiertem Nachwuchs regelmäßig besuchten. Elisabeth Fromm-Wiedmer und Serena Kiefer sind sich einig: „Wer einen Vertrag der Stuttgarter Gardinenfabrik erhielt, hatte es geschafft.“ Beide lieben ihren Beruf und würden ihn jederzeit wieder wählen.

Foto von Caroline Reinhardt, aufgenommen beim Erzählcafé im Rahmen der Eröffnung der Ausstellung "Designerinnen der Stuttgarter Gardinenfabrik" im Stadtarchiv Herrenberg am 2. März 2024.
Caroline Reinhardt berichtet über den Arbeitsalltag einer Designerin in den 1950er Jahren.

Vor dem Einzug des Computers in die Arbeitswelt war das Entwerfen eine sehr anstrengende und zeitintensive Tätigkeit. Die Muster für Druckstoffe entstanden zuerst als Zeichnung auf Papier. Der zweite Schritt war das Übersetzen des ersten Entwurfs in eine technische Zeichnung. Die technische Zeichnung war die Grundlage für das Erstellen der Druckvorlagen. Dies geschah ausschließlich in Handarbeit. War eine Zeichnung fehlerhaft, musste die Designerin diese noch einmal neu erstellen.

Stimmen aus dem Publikum: Sehenswerte Ausstellung und gelungen Eröffnungsveranstaltung

Die Rückmeldungen aus dem Publikum beim anschließenden Austausch bei Getränken und Fingerfood waren überwiegend positiv. Dies gilt sowohl für die Gestaltung der Ausstellung als auch für die Eröffnungsveranstaltung.

Die Ausstellung „Designerinnen der Stuttgarter Gardinenfabrik“ kann bis Dienstag, 30. April 2024 im Rahmen der Öffnungszeiten des Stadtarchivs Herrenberg (Montag: 8:30-17:00 Uhr, Dienstag-Donnerstag: 8;30-12:30 Uhr) besichtigt werden. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich, der Eintritt ist frei.

Führungen durch die Ausstellung

An folgenden Terminen im April 2024 bieten wir Führungen durch die Ausstellung an:

Montag, 15. April 2024, 18:00 Uhr

Donnerstag, 18. April 2024, 10:30 Uhr

Montag, 22. April 2024, 18:00 Uhr

Wenn Sie an einer der Führungen teilnehmen möchten, melden Sie sich dafür bitte unter Designerinnen/at/web.de (Name, Termin, Anzahl der Personen) oder telefonisch unter 07032 954 6330 (Stadtarchiv) bis spätestens 24 Stunden vor Beginn der Führung an.

Die Führungen sind kostenlos und finden ab drei angemeldeten Personen statt. Spenden sind willkommen. Neben wunderschönen Stoffen, interessanten Fotos und zeitgeschichtlichen Objekten können Sie sich nach der Führung eine Aufzeichnung unseres Erzählcafés (30 Minuten) mit ehemaligen Designerinnen der Stuttgarter Gardinenfabrik bzw. ihren Nachfahren ansehen, die bei der Ausstellungseröffnung entstanden ist.

Fotos: Marlise Sifrig

Stadtführung „Auf den Spuren Herrenberger Geschäftsfrauen“, 25. März 2023

Im Rahmen der Veranstaltungsreihe Brot & Rosen hatte die Frauengeschichtswerkstatt am 25. März 2023 zu ihrer neu konzipierten Stadtführung „Auf den Spuren Herrenberger Geschäftsfrauen“ eingeladen.

Publikum der Stadtfuehrung der Frauengeschichtswerkstatt "Auf den Spuren Herrenberger Geschaeftsfrauen" in der Stuttgarter Straße.
Das Publikum der Stadtführung, hier bei Station 2: Kaffeerösterei Bellon in der Stuttgarter Straße.

Etwa 50 Personen schlossen sich der von Dr. Claudia Nowak-Walz und Anne Schlombs geleiteten Führung an, um zu erfahren, wie diese Frauen ihre Geschäfte und ihre Familien gut durch wirtschaftlich schwierige Zeiten wie die Weltwirtschaftskrise, Kriegs- oder Nachkriegszeiten gebracht haben.

Handelshaus Khönle und Kaffeerösterei Bellon

Die fünf Stationen der Führung waren vielfältig und boten interessante Einblicke in die Geschichte markanter Herrenberger Häuser. Den Auftakt bildete das ehemalige Handelshaus Khönle am Markt, wo Claudia Nowak-Walz anschaulich erläuterte, welche bedeutende Rolle Frauen für den Erfolg des Handelshauses im 17. Jahrhundert spielten. Danach ging es zu Karl Bellon – Kaffeerösterei und Feinkost in die Stuttgarter Straße 24 bis 26.

Herrenberger Geschaeftsfrauen: Christa Tesch und Antje Matthaeus als Anna Reichle und Annemarie Reichle.
Die Inhaberinnen der Kaffeerösterei Bellon in zweiter und dritter Generation: Anna Reichle geb. Bellon und Annemarie Reichle geb. Kennke.

In einer 1966 spielenden Szene zwischen der Tochter des Gründers Carl Bellon und ehemaligen Inhaberin Anna Reichle (dargestellt von Christa Tesch) und ihrer Schwiegertochter Annemarie Reichle (gespielt von Antje Matthäus) wurden unter anderem Familienzusammenhalt, Mut zur Veränderung und Anpassungsfähigkeit als Faktoren für den Erfolg des Geschäfts mit seiner über 100-jährigen Geschichte hervorgehoben. Kaffeeduft und eine kulinarische Kostprobe rundeten das sinnliche Gesamterlebnis für die Zuhörerinnen und Zuhörer ab.

Erste Friseurmeisterin und Inhaberin einer Privaten Handelsschule

Anne Schlombs berichtet in der Bronngasse ueber die Herrenberger Geschaeftsfrau Anna Woerner.
Anne Schlombs (links) berichtet vor dem Bronntor über Herrenbergs erste Friseurmeisterin Anna Wörner.

An der dritten Station, dem Standort des Salons der ersten Friseurmeisterin Herrenbergs, Anna Wörner, befindet sich heute das Bronntor. Anne Schlombs zeigte auf, wie Anna Wörner mit ihrer Entscheidung für die Meisterprüfung zur Pionierin wurde und wie sie die Tradition des elterlichen Geschäfts erfolgreich fortsetzte.

Anschließend führte die Stadtführung zum Haus Hindenburgstraße 23/Auf dem Graben, in dem Else Guoth-Lohmiller von 1951 bis 1984 ihre Private Handelsschule betrieb und damit vielen jungen Frauen, die in Herrenberg nicht viele Alternativen hatten, eine berufliche Zukunft eröffnete.

Sonja Klaus Condo spielte eine Schuelerin der Privaten Handelsschule von Else Guoth-Lohmiller.
Sonja Klaus Condo in ihrer Rolle als Schülerin der Privaten Handelsschule von Else Guoth-Lohmiller.

Sonja Klaus Condo spielte eine Schülerin, die an ihren Hausaufgaben in Maschineschreiben verzweifelt ­– zur großen Erheiterung des Publikums!

Seifen-Parfümerie Otto und Garnhaus Hönes

Die letzte Station waren das Geschäft Seifen-Parfümerie Otto und das Garnhaus Hönes in der Tübinger Straße 2 und 6.

Elke Klump-Roehm und Illja Widmann berichten ueber die Herrenberger Geschaeftsfrauen Elisabeth Otto, Dorothea Otto und Marta Hoenes.
Zwei Kundinnen berichten über die Inhaberinnen der Geschäfte Seifen-Parfümerie Otto und Garnhaus Hönes.

Zwei elegant und ganz im Stil der 1960er Jahre gekleidete Kundinnen, dargestellt von Elke Klump-Röhm und Illja Widmann, berichteten, mit welchen Ladenkonzepten und Marketingmethoden sich die Geschäftsinhaberinnen (Elisabeth und Dorothea Otto, Marta Hönes) viele Jahre lang erfolgreich gegen die Konkurrenz behaupten konnten. Beide Traditionsgeschäfte waren noch Jahrzehnte nach ihrer Schließung vielen Herrenbergern ein Begriff.

Wer die Geschichten nachlesen und vertiefen möchte: In unserem Buch Frauen gestalten Herrenberg 2 (Stationen 2 bis 5) und unter Frauen der Handelsfamilie Khönle (Station 1) werden Sie fündig.

Dank an Unterstützerinnen und Spender

Die Frauengeschichtswerkstatt dankt dem Gleichstellungsbüro der Stadt Herrenberg für die Unterstützung unseres Projekts, Marlise Sifrig für die Fotoaufnahmen während der Führung und dem Salon Conny & Team für die Kreation der zeitgenössischen Frisuren.

Gruppenfoto der Frauengeschichtswerkstatt vor der Spitalkirche nach der Fuehrung am 25. Maerz 2023.
Die Beteiligten der Frauengeschichtswerkstatt freuen sich über die gelungene Führung.

Wir danken auch allen, die am Ende der Führung etwas in unseren Spendenhut geworfen haben. Ihre Spenden tragen dazu bei, dass wir unsere Tätigkeit fortsetzen und weitere Frauen aus der Herrenberger Stadtgeschichte sichtbar machen können. Eine Wiederholung der Stadtführung ist geplant.

Text: Antje Matthäus, Redaktion: Claudia Nowak-Walz

Buchpräsentation am 22. September

Am Donnerstag, 22. September 2022, präsentiert die Frauengeschichtswerkstatt Herrenberg ihr neues Buch Frauen gestalten Herrenberg 2 im Haus Weitblick. Nach einem kurzen Überblick über die Themen der zehn Beiträge stellen wir zwei der darin porträtierten Frauen – Hanna Hartmann, die erste niedergelassene Ärztin, sowie die Textildesignerin Margret Hildebrand – ausführlicher vor.

Der Abend wird musikalisch umrahmt Christina Dreier (Violine), Waltraud Epple-Holom (Akkordeon) und Susanne Geiger (Klavier) mit Werken von Maria Sehrig und Pauline Viardot.

Im Anschluss gibt es die Möglichkeit, bei einem Getränk miteinander ins Gespräch zu kommen.

Veranstaltungsort und Beginn: Das Haus Weitblick befindet sich in der Bahnhofstraße 22 in Herrenberg. Die Veranstaltung beginnt um 19:30 Uhr. Der Eintritt ist frei.

Buchpräsentation „Frauen gestalten Herrenberg 2“

2014 veröffentlichte die Frauengeschichtswerkstatt das Buch „Frauen gestalten Herrenberg“, in dem Frauen aus den Bereichen Politik, Bildung, Kultur und Sport vorgestellt wurden. Doch Herrenberg hat noch viele weitere spannende Frauenbiografien zu bieten.

Im neuen Band „Frauen gestalten Herrenberg 2“, den die Gruppe am Samstag, 2. April 2022 im Rahmen von „Brot & Rosen“  der Öffentlichkeit vorstellt, liegen die Schwerpunkte auf den Themen Handel und Gewerbe, Industriedesign und Gesundheit.

Nach einem kurzen Überblick über den Inhalt des Buches werden zwei der porträtierten Frauen ausführlicher vorgestellt: Anna Wörner, Herrenbergs erste Friseurmeisterin, erhielt durch die Folgen des Zweiten Weltkrieges die Möglichkeit, den väterlichen Salon weiterzuführen. Als erste niedergelassene Ärztin hat Hanna Hartmann über 40 Jahre unermüdlich PatientInnen mit
medizinischer, fürsorglicher und fortschrittlicher Betreuung in Herrenberg und den umliegenden Gemeinden versorgt. Abschließend gibt Dr. Stefanie Albus-Kötz Einblicke in die Recherchen für das Buch aus ihrer Sicht als Stadtarchivarin.

Die Buchpräsentation wird musikalisch umrahmt vom Klarinetten-Duo Julia Haarer & Emilia Fussi. Anschließend laden die Veranstalterinnen zu einem geselligen Ausklang ein.

Veranstaltungsort: Stadtbibliothek, Tübinger Str. 36

Uhrzeit: 15:00 bis 17:00 Uhr

Mitveranstalterinnen: Gleichstellungsbüro, Stadtbibliothek, Stadtarchiv

Anmeldung erforderlich unter:
Tel. 07032 924363 oder per E-Mail an: fgw-herrenberg@web.de

Emilie Hiller (1871–1943)

Foto von Emilie Hiller aus dem Bestand des Stadtarchivs Heilbronn
Emilie Hiller © Stadtarchiv Heilbronn

Heute ist der 150. Geburtstag von Emilie Hiller. Sie gehört zu den 13 Frauen, die im Januar 1919 in die Württembergische Verfassungsgebende Landesversammlung gewählt wurden. Als einzige dieser 13 Frauen gehörte sie dem Landtag bis zu seiner Gleichschaltung durch die Nationalsozialisten im Juni 1933 an.

Frühe Berührung mit der Politik

Emilie Hiller wurde am 27. Dezember 1871 als uneheliches Kind des Schreinermeisters Gustav Kittler und Caroline Stöckle in Ludwigsburg geboren. Zwei Jahre nach ihrer Geburt heiratete ihr Vater Marie Josephine Rühle und die Familie zog nach Heilbronn, die Heimatstadt ihres Vaters. Dort wuchs Emilie zusammen mit ihren sieben Halbgeschwistern auf.

Emilies Vater war Mitglied in der SPD. Seit 1886 war er Mitglied des Heilbronner Gemeinderates. Auch Heinrich Hiller, den Emilie 1890 heiratete, war Sozialdemokrat. 1900 trat sie ebenfalls in die SPD ein.

Das Ehepaar Hiller betrieb zunächst die Gaststätte „Zum Ritter“, später das Kaffee-Restaurant Viktoria in Heilbronn. Beide Lokale waren Treffpunkte der Heilbronner Sozialdemokraten. „Dank der mütterlichen Güte und Fürsorge“ von Emilie Hiller fand – laut den Erinnerungen des württembergischen Innenministers Fritz Ulrich – „in ihrem Lokal so mancher Gesinnungsfreund in schweren Tagen Unterschlupf und Achtung“.

Frauenpolitisches Engagement

1908 gründete Emilie Hiller die Frauengruppe der Heilbronner SPD, die sie viele Jahre leitete. Dabei musste sie sich mitunter auch gegen den Widerstand mancher Parteigenossen durchsetzen.

Die Heilbronner Frauengruppe war sehr erfolgreich: Im Jahr 1928 waren 41 Prozent der Heilbronner SPD-Mitglieder Frauen waren. In Stuttgart waren es zur selben Zeit nur 17,5 Prozent.

Ein Grund dafür lag möglicherweise darin, dass sich die Heilbronner Frauengruppe auch um Bereiche kümmerte, die bisher nur von der bürgerlichen Frauenbewegung in den Blick genommen wurden, z. B. Waisenpflege, Wöchnerinnenfürsorge oder die Organisation von Spaziergängen in die Natur für Kinder in den Schulferien.

Abgeordnete im Landtag des freien Volksstaates Württemberg

Am 12. Januar 1919 – eine der Wahlen in Deutschland, bei denen Frauen wählen und gewählt werden durften – wurden sowohl Emilie Hiller als auch ihr Vater für die SPD in die Verfassungsgebende Landesversammlung gewählt.

Von 1920 bis 1933 war sie Abgeordnete im württembergischen Landtag. Neben dem Einsatz für Frauenrechte, z. B. die Abschaffung des Paragrafen 218, waren die Verbesserung der Situation von Kindern und der unteren Bevölkerungsschichten sowie der Einsatz für einem humaneren Strafvollzug weitere Schwerpunkt ihrer parlamentarischen Arbeit.

Gemeinsam mit der Stuttgarterin Christine Evert war Emilie Hiller viele Jahre Vertreterin der Frauen im Landesvorstand der SPD Württemberg-Hohenzollern. An der Gründung der Arbeiterwohlfahrt in Heilbronn war sie ebenfalls beteiligt.

Mit dem Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft im Jahr 1933 endete ihre politische Laufbahn und ihre Existenz als Gastwirtin. Am  22. Juni 1933  wurden alle sozialdemokratischen Mandatsträger von ihren Ämtern ausgeschlossen. Das Gebäude, in dem sich das Kaffee-Restaurant Viktoria befand, wurde enteignet, weil es der örtlichen SPD gehörte.

Das Ehepaar Hiller zog sich ins Rentnerdasein zurück. Emilie Hiller starb am 14. April 1943.


Originalbeitrag von Elke Klump-Röhm für die Internetseite der Frauengeschichtswerkstatt Herrenberg
URL: https://frauengeschichtswerkstatt-herrenberg.de/emilie-hiller/

Emilie Hiller gehört zu den 13 weiblichen Abgeordneten, welche die Frauengeschichtswerkstatt in ihrer Veranstaltung zum 100. Jubiläum des Frauenwahlrechts vorstellte.