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Marie Gerlach (1863–1945)

„Die Armen, Waisen und Notleidenden in rührender Weise angenommen“
Auschnitt aus dem Gemeinderatsprotokoll vom 30. Mai 1919 mit der Unterschrift von Marie Gerlach.
Mit ihrer Unterschrift im Gemeinderatsprotokoll vom 30. Mai 1919 erklärte Marie Gerlach, dass sie die Wahl annahm. Quelle: Stadtarchiv Herrenberg.

Marie Gerlach ist die erste Frau, die in Herrenberg erfolgreich für den Gemeinderat kandidierte. Von 1919 bis 1922 bestimmte sie die Lokalpolitik ihrer Heimatstadt aktiv mit. Sie war Mitglied des örtlichen Milchausschusses und „Vertrauensperson in den Angelegenheiten des Gemeindewaisenrats“.

Herkunft und Werdegang
Das auf dem Foto abgebildete Haus ist das Elternhaus von Marie Gerlach. Auf dem Haus befindet sich die Aufschrift: Karl Gerlach Rotgerberei.
Aufnahme von Marie Gerlachs Elternhaus in der Seestraße 5, in dem sie bis zu dessen Zerstörung im Januar 1945 lebte. Stadtarchiv Herrenberg, Signatur: S 117 3414.

Marie Gerlach kam am 26. März 1863 als siebtes Kind des Rotgerbers Carl Gottlob Gerlach und seiner zweiten Ehefrau Christina Rosina geb. Wörner in Herrenberg zur Welt. Sie blieb ledig und unterstützte ihren Bruder Karl, der den Betrieb des Vaters übernommen hatte, und dessen Frau Friederike im Haushalt, bei der Betreuung der acht Kinder und bei der Pflege der Eltern. Neben dieser Tätigkeit engagierte sie sich ehrenamtlich, vor allem in der evangelischen Kirchengemeinde.

Die Rotgerberfamilie Gerlach war eine alteingesessene Herrenberger Familie, die sich aktiv an der Stadtpolitik beteiligte. Karl Gerlach gehörte dem Gemeinderat bzw. dem Bürgerausschuss bis zu den Wahlen im Mai 1919 an. Marie Gerlach sammelte als Mitglied der „Kommission zur Kriegswohlfahrtspflege“ seit März 1915 erste Erfahrungen in der Arbeit der Stadtverwaltung. Man kann davon ausgehen, dass die DDP sie als Kandidatin anwarb, weil sie eine geachtete und geschätzte Persönlichkeit war. Das Wahlergebnis – mit 609 Stimmen erzielt sie das fünftbeste Ergebnis der Kandidierenden der DDP und das zehntbeste Ergebnis insgesamt – bestätigt dies.

Verteidigung des Mandats gelang nicht

Trotz ihres Ansehens, guter Einarbeitung in „alle Zweige der Verwaltung“ und großen Engagements für „die Armen, Waisen und Notleidenden“ glückte es der inzwischen 59-Jährigen nicht, ihr Mandat zu verteidigen. Bei den Wahlen am 17. Dezember 1922 erzielte Marie Gerlach mit 411 Stimmen das schlechteste Ergebnis aller Kandidierenden der DDP.  Ende 1922 schied sie aus dem Gemeinderat aus.

Damit folgte Herrenberg dem allgemeinen Trend. Auf den ersten „Hype“ nach der Einführung des Frauenwahlrechts folgte die Ernüchterung. Wurden Frauen 1919 als Wählerinnen und Kandidatinnen noch massiv umworben, hatten sie es in den Folgejahren immer schwerer, aussichtsreiche Listenplätze zu erhalten und Abgeordnetenmandate zu erringen. Im württembergischen Landtag sank die Anzahl der weiblichen Abgeordneten mit jeder Wahl. Im Jahr 1919 waren 13 Abgeordnete von 150 weiblich, 1920 waren es noch fünf, 1930 nur noch drei.

Im Herrenberger Rathaus tagt der Gemeinderat, dem 1919 bis 1922 mit Marie Gerlach erstmals eine Frau angehörte.
Nach Marie Gerlachs Ausscheiden aus dem Gemeinderat dauerte bis 1951, bis wieder Frauen ins Herrenberger Rathaus einzogen.

Nach 1922 waren in Herrenberg die Wahllisten zum Gemeinderat wieder ausschließlich mit Männern besetzt. Marie Gerlach blieb nicht nur bis zum Ende der Weimarer Republik im Jahr 1933, sondern bis 1950 die einzige Frau, die je in den Herrenberger Gemeinderat gewählt wurde. Das änderte sich erst, als 1951 mit Lina Link und Olga Ressel gleich zwei Frauen in das Gremium einzogen.

Nach dem Ausscheiden aus dem Gemeinderat lebte Marie Gerlach weiterhin mit der Familie ihres Bruders in der Seestraße 5. Im Januar 1945 zog sie zu ihrer Nichte Lydia Widmaier in die Alzentalstraße 22. Marie Gerlach starb am 19. September 1945 im Alter von 82 Jahren.


Originalbeitrag von Claudia Nowak-Walz für die Internetseite der Frauengeschichtswerkstatt Herrenberg, September 2025
URL: https://frauengeschichtswerkstatt-herrenberg.de/marie-gerlach/

Ein ausführlicheres Porträt von Marie Gerlach finden Sie in Frauen gestalten Herrenberg 2 (S. 155-166).

Marie Gerlach gehörte zu den Frauen, welche die Frauengeschichtswerkstatt in ihrer Veranstaltung zum 100. Jubiläum des Frauenwahlrechts vorstellte.

Wir danken dem Stadtarchiv Herrenberg für die freundliche Genehmigung, die Fotos aus dem Gemeinderatsprotokoll und von Marie Gerlachs Elternhaus in diesem Beitrag zu verwenden.

20 Jahre Frauengeschichtswerkstatt

Jubiläumsfeier am 10. November 2024 in der Spitalkirche

Foto des Innenraums der Spitalkirche mit dem Banner der Frauengeschichtswerkstatt, aufgenommen am 10. November 2024 kurz vor Beginn des Programms.
Die Veranstaltung begann mit einem Sektempfang, bei dem sich die Gäste mit den Mitgliedern der FGW bereits rege austauschten.

Rund 75 Gäste – darunter Unterstützer:innen, Gemeinderätinnen und Vertreter:innen der Stadtgesellschaft – waren der Einladung gefolgt, um das 20-jährige Bestehen der Frauengeschichtswerkstatt Herrenberg (FGW) gemeinsam mit der Gruppe zu feiern. Und ihnen wurde einiges geboten: vom Sektempfang über frauenbewegte Lieder, vorgetragen von Birgit Kruckenberg-Link, und einem unterhaltsamen Rückblick mit Interview, Spielszenen und Video bis hin zu einem köstlichen Büffet.

Grußwort der Gleichstellungsbeauftragten

Foto der Herrenberger Gleichstellungsbeauftragten Birgit Hamm, aufgenommen bei der Feier "20 Jahre Frauengeschichtswerkstatt" am 10. November 2024 in der Spitalkirche.
In ihrem Grußwort würdigte Birgit Hamm die Frauengeschichtswerkstatt als „verlässliche Größe innerhalb des Frauennetzwerks“.

Ein Grußwort dürfte natürlich auch nicht fehlen. Dieses sprach die Gleichstellungsbeauftragte Birgit Hamm, die zugleich auch die Glückwünsche des Oberbürgermeisters Nico Reith übermittelte.
Darin würdigte sie die FGW als „verlässliche Größe im Herrenberger Frauennetzwerk“, die mit ihrem Engagement wichtige Akzente gesetzt habe. Seit ihrer Gründung im Herbst 2004 bereichere die Frauengeschichtswerkstatt das Brot & Rosen-Programm jedes Jahr mit einem Beitrag und könne eine eindrucksvolle Bilanz vorweisen:

Wie alles begann und Highlights aus unserer Tätigkeit

In einem Interview befragte FGW-Gründungsmitglied Illja Widmann die damalige Frauenbeauftragte Birgit Kruckenberg-Link zu den Anfängen der von ihr initiierten Frauengeschichtswerkstatt. Sehr spannend war der Blick zurück auf die erste Stadtführung 2005 zum Leben und Arbeiten von Frauen im 15. bis 18. Jahrhundert: Angeregt von der Theatererfahrung der Frauenbeauftragten hatte die FGW dazu Spielszenen mit historischen Frauenfiguren erarbeitet, die inzwischen ein Markenzeichen unserer Gruppe geworden sind. Anschließend erinnerte FGW-Mitglied Inge Rau im Zwiegespräch mit Illja Widmann an Marie Gerlach, die erste Herrenberger Gemeinderätin.

Foto von Heidi Braitmaier, einem ehemaligen Mitglied der Frauengeschichtswerkstatt in ihrer Rolle als Fräulein Gaiser, einer Lehrerin an der Herrenberger Frauenarbeitsschule.
Heidi Braitmaier als Fräulein Gaiser, einer Lehrerin an der Herrenberger Frauenarbeitsschule.

Es folgten weitere kurzweilige Szenen aus unserem Programm: Heidi Braitmaier verkörperte Fräulein Gaiser, Lehrerin an der Frauenarbeitsschule. Christa Tesch, Antje Matthäus und Helen Schelling würdigten in ihrer Spielszene den Mut der Inhaberinnen bekannter Herrenberger Geschäfte wie Kaffeerösterei & Feinkost Bellon, Garnhaus Höhnes und Seife-Parfümerie Otto sowie der Ärztin Hanna Hartmann. Videoausschnitte aus dem Erzählcafé zur Eröffnung der Ausstellung „Designerinnen der Stuttgarter Gardinenfabrik“ rundeten den Rückblick ab.

Foto der Musikkabarettistin Birgit-Kruckenberg-Link, aufgenommen bei "20 Jahre Frauengeschichtswerkstatt" am 10. November 2024 in der Spitalkirche.
Birgit Kruckenberg-Link (Frauengold) bereicherte das Programm mit mitreißenden frauenbewegten Liedern.

Mit mitreißenden frauenbewegten Liedern ehrte Birgit Kruckenberg-Link ihre langjährige musikalische Partnerin, die in Herrenberg sehr geschätzte Susanne Geiger (1955–2023), und leitete zum nächsten Thema über – unseren Wegbegleiterinnen. Dr. Claudia Nowak-Walz und Elke Klump-Röhm erinnerten an ehemalige Mitglieder der FGW und berichteten, wie diese sich mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung eingebracht und die Arbeit der Gruppe geprägt haben, sei es durch das Knüpfen von Kontakten, ihre Recherchearbeit, Nähen von Kostümen oder Mitwirkung bei öffentlichen Auftritten.

Interaktive Elemente und ein Blick in die Zukunft

Beim abschließenden Querschnitt unseres Schaffens bezogen wir unsere Gäste ein. Wer bereits an einer Stadtführung oder einem Erzählcafé teilgenommen hatte, konnte aufstehen und über persönliche Erinnerungen berichten. In einer kleinen Quizrunde galt es, Requisiten wie Kräutersträußchen oder einen Korb mit Eisennägeln und Lebkuchen den dazugehörigen historischen Themen zuzuordnen. Oder zu erraten, auf welchem ungewöhnlichen Weg wir eines unserer Projekte finanziert haben. Die Antworten lauteten: Beginen, Handelsfamilie Khönle und Teilnahme an der SWR-Sendung Quizhelden.

Das Programm endete mit einem optimistischen Ausblick. Die Frauengeschichtswerkstatt hat noch viele spannende Themen und Projekte in Planung, unter anderem:

  • Mädchenbildung im 16. bis 19. Jahrhundert,
  • 80 Jahre Ende des Zweiten Weltkriegs und Nachkriegszeit in Herrenberg aus weiblicher Sicht sowie die
  • Beteiligung am 800. Stadtjubiläum im Jahr 2028.

Weitere Spurensucherinnen sind herzlich eingeladen, sich daran zu beteiligen und weitere Ideen einzubringen. Wie wunderbar die selbstgesteuerte Zusammenarbeit funktioniert, hat die Gruppe mit der Organisation der Jubiläumsfeier erneut bewiesen!

Ausklang bei Fingerfood und Torte

Foto der Torte, mit der das Gleichstellungsbüro der Frauengeschichtswerkstatt zum 20-jährigen Bestehen gratulierte.
Die vom Gleichstellungsbüro gestiftete Torte war das Highlight auf dem Büffet.

Mit dem gemeinsam gesungenen Lied „Brot und Rosen“ klang der offizielle Teil aus. Beim anschließenden Buffet  kamen wir noch einmal intensiv mit unseren Gästen ins Gespräch und entwickelten Ideen für neue Kooperationen. Das Büffet bestand aus mit köstlichem peruanischen Fingerfood und mehreren Süßigkeiten. Das Highlight war die herrliche Torte, mit der uns das Gleichstellungsbüro zum Jubiläum gratulierte.

Fazit und Danksagungen

Die Jubiläumsfeier „20 Jahre Frauengeschichtswerkstatt Herrenberg“ war – so lautete das einhellige Urteil vieler Gäste – ein gelungener Rückblick auf zwei Jahrzehnte ehrenamtlicher und wissenschaftlicher Arbeit.

Gruppenfoto der Mitglieder der Frauengeschichtswerkstatt, aufgenommen am 10. November 2024 in der Spitalkirche.
Gruppenfoto vor Beginn der Veranstaltung: (vordere Reihe v. l.) Illja Widmann, Heidi Braitmaier, Marlise Sifrig, Helen Schelling, Elke Klump-Röhm, (hintere Reihe v. l.) Christa Tesch, Inge Rau, Sonja Klaus Condo, Claudia Nowak-Walz und Antje Matthäus.

Wir bedanken uns bei Birgit Kruckenberg-Link (Frauengold) für die musikalische Umrahmung, bei Andreas Matthäus, Kurt Röhm und Armin Walz für den Küchendienst, bei Frank Tesch für den Technikdienst, bei Kenyi Torres de Krug für das Catering, bei der Frauenliste Herrenberg für die netten Glückwünsche, Blumen und die Karte, beim Amt für Wirtschaftsförderung und Kultur für die Rosen, beim Gleichstellungsbüro für die wunderschöne Torte, bei Ingrid Kahlig und Andrea Stöffler für die Präsente, bei den Mitgliedern des Vereins „Faire Welt“ für die Hilfe beim Aufräumen und bei allen weiteren Unterstützerinnen und Unterstützern unserer Arbeit.

Fotos: Marlise Sifrig und Frank Tesch

Handel in Herrenberg – früher und heute

Impressionen der Stadtführung im Rahmen der Sommerfarben 2024

„Handel in Herrenberg – früher und heute“ lautete der Titel der Stadtführung, die der Verein Faire Welt und die Frauengeschichtswerkstatt im Rahmen des 50-jährigen Jubiläums des Weltadens Herrenberg am 22. Juni 2024 anboten. Trotz strömendem Regen waren etwa 50 Interessierte gekommen.

Foto von Klaus Holzäpfel mit der Gitarre, Christlinde von Keler mit der Flöte und Brigitte Strassner an der Cajon, aufgenommen bei der Stadtführung von Weltladen und Frauengeschichtswerkstatt am 22. Juni 2024.
Klaus Holzäpfel, Christlinde von Keler und Brigitte Strassner begleiteten die Veranstaltung musikalisch.

Aufgrund des Wetters fand die Veranstaltung nicht in der Stadt, sondern als „virtuelle Stadtführung“ in der Spitalkirche statt. Mit den auf die Leinwand projizierten Bildern der Stationen, den eindrücklichen Spielszenen und Musik aus Lateinamerika schafften es die Darsteller*innen die Zuschauenden mitzunehmen und zu begeistern.

Auftakt am Marktplatz

Der „Rundgang” zum Thema „Handel in Herrenberg – früher und heute“ begann auf dem Marktplatz. Dort herschte vermutlich bereits seit der Stadtgründung im Mittelalter geschäftiges Treiben, was sich bis heute nicht geändert hat.

Foto von Martin Petry vom Verein Faire Welt und Claudia Nowak-Walz von der Frauengeschichtswerkstatt, aufgenommen bei der Stadtführung "Handel in Herrenberg - früher und heute" am 22. Juni 2024.
Martin Petry und Claudia Nowak-Walz begrüßten das Publikum und teilten sich den Part des Stadtführers.

Hier erläuterten die beiden Stadtführer*innen, Martin Petry (Verein Faire Welt) und Dr. Claudia Nowak-Walz (Frauengeschichtswerkstatt), das Konzept der Führung: Es sollte ein Bogen gespannt werden vom 17. bis zum 21. Jahrhundert, in dem die Geschichte des Herrenberger Handels zum einen aus Perspektive von Frauen und zum anderen aus der Perspektive der Menschen des Globalen Südens beleuchtet wird.

Station 2: Handelshaus Khönle

Die zweite Station war das Handelshaus der Familie Khönle in der Schuhgasse (heute: Galerie Györfi).

Foto von Sonja Klaus Condo, aufgenommen auf der Stadtführung "Handel in Herrenber - früher und heute" am 22. Juni 2024.
Die Magd der Familie Khönle (Sonja Klaus Condo) zeigt dem Publikum einige Waren aus dem Sortiment.

Eine Magd (Sonja Klaus Condo) berichtete über das im 17. Jahrhundert gegründete Handelsgeschäft, die Bedeutung der Ehefrauen der Kaufleute und das weitgespannte Netz der Handelsbeziehungen.

Station 3: „Karl Bellon – Kaffeerösterei und Feinkost“
Foto von Christa Tesch und Antje Matthäus, aufgenommen bei der Stadtführung "Handel in Herrenberg - früher und heute" am 22. Juni 2024.
Christa Tesch als Anna Reichle, geb. Bellon, und Antje Matthäus als ihre Schwiegertochter Annemarie Reichle.

Die nächsten beiden Stationen befanden sich in der Stuttgarter Straße. In den Häusern Nummer 24 und 26 befand sich von Anfang der 1890er Jahre bis Anfang der 1980er Jahre das Geschäft „Karl Bellon – Kaffeerösterei und Feinkost“.  Hier tauschten sich die Tochter des Firmengründers, Anna Reichle geb. Bellon (Christa Tesch), und ihre Schwiegertochter Annemarie Reichle (Antje Matthäus) miteinander über das Leben als Geschäftsfrau aus.

Station 4: Erster Standort des Herrenberger Weltladens
Foto der Spielszene am ersten Standorts des Herrenberger Weltladens im Jahr 1974.
Am ersten Standort des Weltladens erinnern Plakate an einige wichtige Themen im Gründungsjahr 1974.

In der Stuttgarter Straße 6 wurde 1974 der Herrenberger Weltladen eröffnet. Dort erinnerten sich Gründer*innen des Vereins Faire Welt, gespielt von  Klaus Holzäpfel, Uli Potreck, Katja Klaus und Andrea Stöffler, an die ersten Jahre des Vereins Faire Welt und des Weltladens.

Station 5: Weltladen am Marktplatz

Der Abschluss der Führung fand, wie ursprünglich geplant, vor und im Weltladen am Marktplatz statt. Bei leckeren Snacks und Getränken konnten sich die Zuschauer*innen stärken und über das Gesehene und Gehörte austauschen.

Einen ausführlicheren Bericht finden Sie auf der Internetseite des Weltladens Herrenberg.

Fotos: Marlise Sifrig

Finissage der Ausstellung „Designerinnen der Stuttgarter Gardinenfabrik“

Ein Feuerwerkwerk der Kreativität sichtbar gemacht

Fast auf den Tag genau drei Monate nach ihrer Eröffnung zog die bahnbrechende Ausstellung „Designerinnen der Stuttgarter Gardinenfabrik“ im Stadtarchiv Herrenberg ein letztes Mal die Blicke auf sich. Das Besondere an dieser Präsentation: Teilweise unbekannte Designerinnen wurden einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt und die von ihnen entworfenen Stoffe praktisch hautnah gezeigt. Normalerweise lagern viele Stoffe in Archiven, wo sie schwer zugänglich sind.

Am 3. Juni 2024 hatte das Projektteam aus Frauengeschichtswerkstatt (FGW) und Stadtarchiv zur Finissage eingeladen.

Foto des Publikums der Finissage der Ausstellung "Designerinnen der Stuttgarter Gardinenfabrik" am 3. Juni 2024 im Vortragssaal des Stadtarchivs Herrenberg.Die etwa 50 Gäste, darunter wichtige Leihgeberinnen und Leihgeber, erlebten eine spannende Rückschau auf die Entstehung und Resonanz des Projekts.

 

Das Programm begann mit einer ausführlichen Fotodokumentation im Vortragsraum. Sie zeichnete den Weg der Ausstellung nach – von der sorgfältigen Recherche über die feierliche Eröffnung bis hin zu Reaktionen aus Medien und Publikum. Sie bot einen Blick hinter die Kulissen und machte die vielfältigen für eine Ausstellung erforderlichen Tätigkeiten sowie den zeitlichen Aufwand sichtbar.

Rückblick der Austellungsmacherinnen
Foto von Dr. Stefanie Albus-Kötz, Leiterin des Stadtarchivs Herrenberg, aufgenommen bei der Finissage der Ausstellung am 3. Juni 2024.
Dr. Stefanie Albus-Kötz, Leiterin des Stadtarchivs Herrenberg

In ihrer offiziellen Begrüßung freute sich Archivleiterin Dr. Stefanie Albus-Kötz über das große Interesse: „Wir hätten die Ausstellung gut und gerne noch weiterlaufen lassen können. Es waren über 400 Besucherinnen und Besucher hier – ein Spitzenwert für das Stadtarchiv!“

 

Im darauf folgenden von Antje Matthäus (FGW) moderierten Gespräch zogen einige Mitglieder des Projektteams Bilanz und teilten ihre persönlichen Geschichten.

Illja Widmann, FGW-Mitglied und Leiterin des Stadtmuseums Sindelfingen, erläuterte die Herausforderungen bei der Konzeption und Umsetzung einer Ausstellung: „Das Wichtigste bei der Realisierung einer solchen Ausstellung ist Flexibilität. Es passiert immer Unvorhergesehenes. Man muss also bis zum Schluss bereit sein, Dinge auch wieder zu verwerfen und nochmal anders zu denken.“

Foto von Dr. Claudia Nowak-Walz, aufgenommen bei der Finissage der Ausstellung "Designerinnen der Stuttgarter Gardinenfabrik" am 3. Juni 2024 im Stadtarchiv Herrenberg.
Dr. Claudia Nowak-Walz, FGW-Mitglied und Historikerin

Die Historikerin Dr. Claudia Nowak-Walz (FGW) fasste die neu gewonnenen Erkenntnisse zur Stuttgarter Gardinenfabrik zusammen: „Es waren viel mehr Frauen für die Stuttgarter Gardinenfabrik als Designerinnen tätig, als wir ursprünglich angenommen haben. Denn in der vorhandenen Forschungsliteratur werden nur Frauen genannt, deren Objekte in Sammlungen enthalten und namentlich gekennzeichnet sind.“

Biografische Forschung und Begegnung mit Zeitzeuginnen

Julietta Schulze (Stadtarchiv) berichtete von ihrer Begegnung mit der Designerin Tina Hahn, die sie im Rahmen der Recherchen in Hamburg besucht hatte. Sie habe nur wenig Persönliches von Tina Hahn erfahren: „Zeitzeuginnen können regulieren, was an die Öffentlichkeit soll und was nicht. So hat Tina Hahn kaum über sich, aber viel über andere Designerinnen gesprochen, die nicht mehr leben, vor allem über Margret Hildebrand.“

Foto der Frauengeschichtswerkstattsmitglieder Antje Matthäus, Illja Widmann und Elke Klump-Röhm, aufgenommen bei der Finissage der Ausstellung "Designerinnen der Stuttgarter Gardinenfabrik" am 3. Juni 2024 im Stadtarchiv Herrenberg.
Antje Matthäus, Illja Widmann und Elke Klump-Röhm (v. l.) von der Frauengeschichtswerkstatt

Elke Klump-Röhm (FGW) ist lokal gut vernetzt und hatte Zeitzeuginnen interviewt: „Ich kann die Leute wunderbar ausfragen. Viele Leute erzählen auch gern, wie toll es früher bei der Stuttgarter Gardinenfabrik war und was sie da erlebt haben. Es war für mich einfach schön zu hören, wie jemand in seiner Arbeit aufgeht.“

Foto von Julietta Schulze, Sonja Klaus Condo und Antje Matthäus, aufgenommen bei der Finissage der Ausstellung "Designerinnen der Stuttgarter Gardinenfabrik" am 3. Juni 2024 im Stadtarchiv Herrenberg.
Julietta Schulze vom Stadtarchiv, Sonja Klaus Condo und Antje Matthäus von der Frauengeschichtswerkstatt

Sonja Klaus Condo (FGW) konnte ihre Erfahrungen aus der Familienforschung in das Projekt einbringen. Sie machte an zwei Beispielen deutlich, wie herausfordernd die biografische Recherche mitunter ist: „Eine Person muss mindestens zehn Jahre tot sein, bevor man von öffentlichen Stellen Informationen über sie bekommt. Deshalb war unsere Forschung für das Projekt oft Detektivarbeit.“

Persönliches Fazit der Beteiligten

Auf die Frage „Was ist das Wichtigste, das ihr persönlich aus diesem Projekt mitnehmt?“ antwortete Illja Widmann:

Foto von Illja Widmann, FGW-Mitglied und Leiterin der Städtischen Museen Sindelfingen bei der Finissage der Ausstellung "Designerinnen der Stuttgarter Gardinenfabrik am 3. Juni 2024 im Stadtarchiv Herrenberg.
Illja Widmann, FGW-Mitglied und Leiterin der Städtischen Museen Sindelfingen

„Ich fand es klasse, wie wir als Gruppe zusammengearbeitet haben. Wir mussten nicht jedes Detail absprechen. Die Frauen haben einfach eigenständig in Kleingruppen gearbeitet und die Ergebnisse dann zusammengeführt. Alle sind gleichberechtigt. Es war wieder mal sehr spannend zu erleben, dass das in unserer Gruppe so gut funktioniert. Und bei der Vernissage ist mir wieder einmal bewusst geworden, wie wichtig es ist, die Arbeit von Frauen sichtbar zu machen und zu würdigen. Diese Rückmeldung haben wir auch von den Familien der Designerinnen bekommen.“

Antje Matthäus

Antje Matthäus ergänzte: „Das macht unsere Arbeit so erfüllend, zu erleben, dass man so viel Freude machen kann.“

Für Elke Klump-Röhm war es die Entdeckung, dass eine ihrer Großtanten, Margot Trierweiler, als Designerin für die Stuttgarter Gardinenfabrik tätig gewesen war. Sonja Klaus Condo schaut ihre Stoffe zu Hause „jetzt ganz anders an, selbst mein Geschirrhandtuch. Mit viel mehr Hintergrundwissen. Man lernt sehr viel durch solch ein Projekt.“

Ausblick: Aufbau eines Stoffbestands, virtueller Rundgang und Publikation

Nach dem Verbleib der Ausstellungsobjekte gefragt, antwortete Stefanie Albus-Kötz, dass das Stadtarchiv mit Blick auf spätere Ausstellungsmöglichkeiten, z. B. im Fruchtkasten, gerade einen kleinen Bestand aufbaut: „Wer noch Stoffe zu Hause hat und sie loswerden will, kann sich gerne an das Archiv wenden und sie hier hinterlegen, als Leihgabe oder auch als Schenkung.“

Antje Matthäus kündigte an, dass die Frauengeschichtswerkstatt plant, „eine virtuelle Form der Ausstellung“ für ihre Internetseite zu erstellen. „Wahnsinn, was Sie alles so machen“, war eine spontane Reaktion aus dem Publikum.

Foto von Julietta Schulze, aufgenommen bei der Finissage der Ausstellung "Designerinnen der Stuttgarter Gardinenfabrik" am 3. Juni 2024 im Stadtrachiv Herrenberg.
Julietta Schulze

Julietta Schulze wünscht sich, dass die Ergebnisse des Projekts in Form einer Veröffentlichung noch mehr Menschen zugänglich gemacht werden. Sie sieht die Ausstellung als Anstoß: „Es gibt bislang nur relativ wenig Forschung zur Stuttgarter Gardinenfabrik. Die Objekte aus den Magazinen zu holen und sich damit zu beschäftigen, ist ein Anstoß, noch mehr herauszufinden.“

Nachhaltiges Interesse an den Designerinnen der Stuttgarter Gardinenfabrik geweckt

Die Veranstaltung endete mit gegenseitigen Dankesworten und kleinen Aufmerksamkeiten: Schokolade für die Frauen des Stadtarchivs und Rosen für die Frauengeschichtswerkstatt. Mit einem Glas Sekt oder Wasser stießen die Projektmitglieder und die Gäste an und tauschten sich bei Häppchen miteinander aus.

Insgesamt zeigte die Finissage, dass die Ausstellung nicht nur historische Erkenntnisse brachte, sondern auch das Interesse an der Geschichte der Stuttgarter Gardinenfabrik und ihrer Designerinnen nachhaltig weckte.

Einladung zur Finissage am 3. Juni 2024

Die Frauengeschichtswerkstatt und das Stadtarchiv Herrenberg laden herzlich zur Finissage der Ausstellung „Designerinnen der Stuttgarter Gardinenfabrik“ ein. Die Ausstellung, die einen einzigartigen Einblick in das Leben und Werk von Antoinette de Boer, Heidi Bernstiel, Hannelore Herrmann, Margret Hildebrand, Tina Hahn, Verena Kiefer, Margot Trierweiler, Francisca Vietsch, Gisela Thiele, Hannelore Österlen und Elisabeth Wiedmer bietet, wird mit einem feierlichen Abschluss gewürdigt.

Vortrag und offener Austausch

Um 16.30 Uhr laden wir zu einem kurzen Vortrag ein, der die Entstehung und die Resonanz der Ausstellung beleuchtet. Anschließend freuen wir uns auf einen regen Austausch mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen. Wir laden alle Gäste ein, sich aktiv einzubringen und unsere Perspektive auch auf andere Bereiche des Unternehmens zu erweitern. Dabei denken wir z. B. an die Produktion, den kaufmännischen Bereich oder den Werkverkauf. Alle Beiträge sind willkommen!

Für kulinarische Genüsse ist mit einer Auswahl an Fingerfood, Erfrischungsgetränken und Sekt gesorgt. Nutzen Sie die Gelegenheit, die Ausstellung ein letztes Mal zu erleben und mit Mitgliedern der Frauengeschichtswerkstatt ins Gespräch zu kommen, Fragen zu stellen und Anregungen zu geben.

Wir freuen uns auch über neue Geschichten und Objekte aus der Zeit der Stuttgarter Gardinenfabrik. Diese dokumentieren wir gerne am Tag der Finissage oder nach Vereinbarung.

Datum und Uhrzeit: Montag, 3. Juni 2024, 16:00 -18:00 Uhr
Ort: Stadtarchiv Herrenberg, Marienstraße 21

Der Eintritt ist frei. Eine Anmeldung unter Designerinnen/at/web.de oderarchiv/at/herrenberg.de würde uns die Planung erleichtern.

Wir laden alle Interessierten ein, diesen besonderen Anlass mit uns zu feiern, und freuen uns auf Ihren Besuch!